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Begeisterndes
XENOPHON-Seminar in Münster
Zweihundert Zuschauer –
mehr als doppelt so viele wie erwartet – harrten am Samstag
Nachmittag trotz ungemütlicher Temperaturen bis zum letzten Wort des
letzten Referenten in der Reithalle der Westfälischen
Reit-und-Fahrschule in Münster aus und zeigten sich am Ende nicht
nur von den einzelnen Beiträgen des XENOPHON-Seminars zur
pferdegerechten Ausbildung begeistert, sondern auch von der Art, wie
diese sich perfekt ergänzten. Susanne Miesner referierte darüber,
warum die Richtlinien zwar althergebracht, aber alles andere als
altmodisch sind, Klaus Balkenhol demonstrierte dies mit drei Pferden
und drei Reiterinnen, und Professor Peter Stadler von der
Tierärztlichen Hochschule Hannover lieferte in einem atemberaubenden
Vortrag den medizinischen Unterbau dazu.
„Welche Farbe hat denn der
Band eins?", lautet eine Frage, die Susanne Miesner in ihrer
Eigenschaft als Prüferin immer wieder stellen muss, wenn sie den
Eindruck hat, dass ein angehender Pferdewirt die Richtlinien nur als
„notwendiges Übel" gepaukt hat, ohne sie wirklich zu
begreifen. Da verblüfft es sie dann wenig, wenn sich dieser Mangel
an theoretischem Grundwissen tags darauf auch in der praktischen
Prüfung widerspiegelt. Natürlich blickt „das blaue Buch" auf
eine lange Historie zurück. Natürlich ändern sich die Menschen,
und gerade im Moment bringen die neuen Medien rasend schnell auch
neue Lesegewohnheiten mit sich. Und natürlich ändert sich auch die
Pferdezucht – jedoch in einem Maße, dass die Gefahr besteht, dass
die Reiter mit der Entwicklung der Pferde nicht mehr Schritt halten
können. Um so notwendiger, so Susanne Miesner, ist die „Überlieferung
der Reitkultur", wie sie in den Richtlinien festgehalten ist,
die sich durch die Jahrzehnte hinweg bei allem Wandel des Zeitgeistes
dem „Wohlergehen der Pferde" widmen. Denn am Naturell und den
Grundbedürfnissen des Pferdes hat sich trotz immer besserer
Zuchtprodukte nichts geändert – und diesen Bedürfnissen kann
gestern wie heute nur gerecht werden, wer über genügend Wissen
verfügt.
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Ein
sechsjähriger Schimmel, der nicht nur mütterlicherseits von Espri
abstammt, sondern auch reichlich Esprit bewies, ein
überdurchschnittlich rittiger, siebenjähriger Farewell-Sohn und
schließlich Dablino, dessen beeindruckender Wandel vom verstörten
Problempferd zum immer selbstbewussteren Champion ohne Geduld niemals
zu erreichen gewesen wäre – mit diesen drei Pferden gewährte
Klaus Balkenhol gemeinsam mit zwei Bereiterinnen und seiner Tochter
Anabel Einblicke in seine Arbeitsweise. „Bei Problemen mit jungen
Pferden müssen wir Ursachenforschung betreiben, statt Zwang durch
Hilfsmittel auszuüben. Bevor man anfängt, muss das Equipment
stimmen – sitzen Sattel oder Trense nicht, verspannt sich das Pferd
unweigerlich, und jede Möglichkeit zur Losgelassenheit ist von vorn
herein dahin." Immer wieder hielt Klaus Balkenhol seine
Schülerinnen an, so wenig wie möglich mit der Hand einzuwirken –
vor allem im Schritt: „Wir müssen den Schritt herauslassen, statt
ihn hineinzureiten." Nach etwa zehnminütigen Reprisen rät
Balkenhol zu kurzen Regenerationspausen. „Dann kann sich die
Muskulatur erholen, und wir beugen Verspannungen vor." Zeit und
eine realistische Einschätzung des Pferdes gehören für ihn
unabdingbar zur Arbeit mit jungen Pferden dazu: „Wir reiten unsere
Pferde erst mit vier Jahren an, und mit sieben können sie trotzdem
alles. Dabei sind wir uns aber immer bewusst, dass wir aus einem VW
keinen Porsche machen können."
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Abschließend lieferte
auch Professor Stadler aus der Sicht des Mediziners ein
leidenschaftliches Plädoyer für die Skala der Ausbildung ab. Der
Weg von der anthropozentrischen Sichtweise, die den Menschen als
Krönung der Schöpfung betrachtet, hin zum Tierschutzgesetz, das
auch den Tieren Rechte einräumt, sei lang gewesen, so Stadler, und
auch heute noch sei der Schmerz beim Tier ein komplexes Thema, das
schwierig zu fassen sei. Inzwischen steht aber fest: Pferde haben
zwar ein anderes Schmerzverhalten als Menschen, aber ähnliche
Schmerzrezeptoren, und aus der bloßen Tatsache, dass sie eben nicht
schreien können, darf nicht auf ein verringertes Schmerzempfinden
geschlossen werden. Auch nach jahrtausendelanger Domestizierung
gebietet ihnen die Natur des Flucht- und Beutetieres, den Schmerz so
weit wie möglich zu verheimlichen. Von diesem Ausgangspunkt aus
schlug Professor Stadler die Brücke zur Skala der Ausbildung, die
ihren Ursprung ja nicht in „humanitären" Gründen hat,
sondern in purer Zweckmäßigkeit, nämlich der längstmöglichen
Gesunderhaltung des Nutztieres Pferd. Als Beispiel erläuterte er den
Punkt der Losgelassenheit: „Die taktmäßigen Bewegungen sind nur
dann richtig, wenn ... sich die Muskeln des Pferdes zwanglos und
unverkrampft an- und abspannen", so die Richtlinien. Da die
Muskulatur aber auch das Organ ist, über das sich Ängstlichkeit und
Unbehagen des Tieres nach außen manifestieren, ist es logisch, dass
nur ein Pferd, dessen Haltungsbedingungen und Sozialkontakte stimmen
und das seiner Natur entsprechend gearbeitet wird, zur wirklichen
Losgelassenheit kommen kann. Genau so sind Probleme bei der
Ausbildung sowie spätere Erkrankungen durch chronische Verspannungen
und Fehlhaltungen vorprogrammiert, wenn der Reiter das Fehlen der
Losgelassenheit nicht ernst nimmt und ihren Ursachen nicht auf den
Grund geht.
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Dass es bei diesem
Seminar auf keinen Fall darum ging, gegen eine sportliche Nutzung des
Pferdes zu argumentieren, demonstrierten nicht nur Klaus und Anabel
Balkenhol mit Dablino, sondern neben einer humoristischen Einlage des
Lokal-Originals Else und einigen abschließenden Worten von Klaus
Ridder, der für mehr Transparenz beim Richten plädierte,
unterstrich auch Hausherr und Schulleiter Martin Plewa beim
abendlichen „Hippologischen Dinner": „Wir sollten dazu
stehen, dass wir mit dem Pferd Sport machen – das tut dem Pferd bei
richtiger Ausbildung gut und ist seine Lebensgrundlage."
(Fotos www.bschnell.de)
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