Katrin Burger, erfolgreiche Dressurreiterin und seit einigen Jahren stellvertretende Zuchtleiterin des Oldenburger Zuchtverbandes in Vechta, referierte über die „Entwicklung und die Erfordernisse beim Züchten und Trainieren von Dressurpferden.“ Hierbei stellte sie zunächst die Selektionskriterien des Verbandes für Fohlen, Stuten, Hengste und Auktionspferde dar, bevor die Entwicklung der Blutlinien näher betrachtet wurde. „Das Zuchtziel hat sich von einem vielseitig verwendbaren Pferd hin zu einem Spezialpferd entwickelt. Heute will man elegante Pferde mit langen Beinen, mit Aufwärtstendenz und besserem Genick. Auf der anderen Seite verkauft sich ein schwerer, altmodischer Typ nach wie vor, wenn er gute Grundgangarten aufweist.“ Burger betonte, dass es für einen Züchter am wichtigsten sei, dass er ein Pferd züchte, das sich leicht und zu einem guten Preis verkaufen lasse. „Bestimmte Blutlinien verkaufen sich besonders gut, deshalb nutzen Züchter bestimmte Hengste so häufig.“ Sie gab aber auch zu bedenken, dass ein Grand-Prix-Pferd nicht gezüchtet, sondern nur „gemacht“ werden könne. Entsprechend warnte sie davor, ausschließlich nach großen Bewegungen zu schauen, da diese allein keine Garantie für ein gutes Grand-Prix-Pferd darstellten. Ein sehr wichtiger Faktor beim Verkauf eines Pferdes sei die Rittigkeit, welche enorme Fortschritte gemacht habe. „Am wichtigsten aber ist der Charakter und der Wille des Pferdes. Es muss arbeiten wollen, um etwas zu erreichen.“
Der Leiter der Westfälischen Reitschule in Münster und frühere Bundestrainer der deutschen Vielseitigkeitsreiter, Martin Plewa, stellte in seinem Vortrag die Zusammenhänge zwischen der Natur des Pferdes und den Konsequenzen, die sich daraus für das Training ergeben, dar. „Reiten heißt mehr als Pferde zu lieben, es bedeutet ein Wissen zu haben, beispielsweise über deren Verhalten.“ Plewa hob zu Beginn hervor, dass trotz verfeinerter Zucht und langer Domestikation Pferde heute noch Flucht- und Herdentiere seien. Dies bedeute auch für Sportpferde die Erfordernis täglich freien Auslaufs auf der Weide oder im Paddock, ständigen Zugangs zu Wasser und Raufutter sowie Sozialkontakte. Bezogen auf das Dressurtraining forderte Plewa, die Ausbildungsskala zu befolgen, deren einzelne Stufen alle mit der Natur des Pferdes erklärbar wären. “Wenn Sie Verstärkungen reiten, ist es unabdingbar, den Rahmen zu erweitern. Verstärkungen ohne Rahmenerweiterungen sind gegen die Natur des Pferdes. Wenn ein Richter in das Protokoll schreibt, ein Pferd solle in einer Verstärkung mehr Ausdruck zeigen, animiert er die Reiter, inkorrekt zu reiten.“ Plewa verdeutlichte, dass versammelte Arbeit viel vom Pferd fordere und daher schrittweise und mit Gefühl trainiert werden müsse, um das Pferd nicht zu erschöpfen. Ferner hob er die Bedeutung der Arbeit im Gelände hervor, von der alle Sportpferde physisch wie psychisch enorm profitierten. Plewa schloss mit der Feststellung, dass „das Beachten der Natur des Pferdes die ethische Grundlage für unseren Weg mit Pferden umzugehen sein muss.“
Prof. Dr. Peter Stadler von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover warf in seinem Referat einen Blick zurück: Wie arbeitete man das Pferd unter Berücksichtigung von gesundheitlichen Aspekten von der Antike bis heute? Dabei machte er den Zuhörern klar, dass es zu allen Zeiten gute und weniger gute Ansätze und Trainer gab. So war es bereits Xenophons Anliegen, das Pferd auf eine Art und Weise zu trainieren, dass es gesund blieb und damit möglichst lange im Militär dienen konnte. Bereits im Mittelalter und später unter Paul Plinzner sah man gerollkurte Pferde mit der Nase auf der Brust. Und bereits der legendäre französische Reitmeister Francois Robichon de la Guérinière warnte vor Trainern, die zu schnell zu viel verlangten und das Pferd so ruinierten und widmete sich in seinem noch heute gültigen Standardwerk „Ecole de Cavalerie“ ausführlich der Erhaltung der Pferdegesundheit durch sinnvolles Training. Stadler hob hervor, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwar verschiedene Ansätze existierten, mit der Einführung der legendären Heeresdienstvorschrift 12 jedoch Ziel und Prinzipien klassischer Ausbildung definiert wurden: Die Erhaltung und Förderung der natürlichen Anlagen des Pferdes sowie dessen Gesunderhaltung. Das Ziel des Dressurreitens sei ein Pferd, das sich mit einem natürlichen Muskeltonus bewege und korrekt von hinten nach vorne gearbeitet werde, um die Tragkraft zu entwickeln. „Der moderne Reitstil hingegen ist eine signifikante Abweichung von der natürlichen Kopfhaltung eines Pferdes. In Freiheit wird eine solche unnatürliche Haltung nur kurzzeitig eingenommen, um Fliegen zu vertreiben oder sich zu kratzen. Der moderne Reitstil führt zu einem engen Genick und hässlichen Bildern, aber auch zu gesundheitlichen Problemen.“ Die Lebenserwartung von Pferden habe in den letzten 100 Jahren deutlich abgenommen.
Im Praxisteil des vorletzten Seminartages waren unter anderem der aktuelle Bundeschampion der vierjährigen Wallache und Stuten, der Westfale Sungai unter Ann-Christin Wienkamp (Ibbenbüren), der Vizeweltmeister- und Vizebundeschampion der sechsjährigen Dressurpferde, der Rheinländer Damon Jerome H mit Uta Gräf (Kirchheimbolanden) im Sattel sowie der ehemalige Doppelbundeschampion der Dressurpferde, Denario, geritten von Nicole Casper (Donzdorf) zu sehen. Alle Ritte wurden von Christoph Hess, dem Leiter der FN-Abteilung Ausbildung, und dem „O“-Richter Dr. Dieter Schüle fachkundig kommentiert.
Der dunkelbraune Sungai begeisterte alle Anwesenden insbesondere mit seinem qualitätsvollen und absolut taktreinen Bergaufgalopp. Dennoch gab Christoph Hess zu bedenken, dass gerade ein Pferd mit einer solch’ großen Galoppade Zeit brauche, um sich genügend auszubalancieren. „Das ist sehr wichtig, denn ohne ausreichende Balance kommt es zu Takteinbußen.“ Uta Gräf präsentierte ihren sechsjährigen gekörten Damon Jerome H mit nahezu unsichtbaren Hilfen. Der langbeinige Dunkelfuchs verlängerte und verkürzte wie an der Schnur gezogen seine Tritte im Trab und Galopp und dehnte sich vorbildlich an das Gebiss. „Was Sie hier sehen, ist perfektes Reiten. Das Pferd behält immer den Takt und wird nie hastig. Je mehr ein Pferd lernt, sich an das Gebiss zu dehnen, umso mehr kommt es unter den Schwerpunkt“, kommentierte Hess den Ritt wie aus dem Lehrbuch. Nicole Casper vom Gestüt Birkhof in Süddeutschland präsentierte ihre beiden Hengste Don Diamond, einen siebenjährigen und den ein Jahr älteren Denario. Beide Pferde zeigten sich außergewöhnlich gelassen und gehorsam. Insbesondere Don Diamond beeindruckte das Publikum mit vielversprechenden ersten Piafftritten. “Solch’ ein williges Pferd kann einen Reiter in Versuchung bringen, zu viel zu verlangen. Wichtig ist, dass man nach wenigen Tritten gleich wieder vorwärts reitet.“ Casper hob den pädagogischen Wert der Arbeit an der Piaffe hervor: „In der versammelten Arbeit kann ich den Gehorsam besser schulen als im Vorwärts.“ Der letztjährige Burgpokal-Sieger Rassolini, ein achtjähriger Hessenhengst unter Kathrin Meyer zu Strohen (Hoya), zeigte sich weit gefördert. Nachwuchs-Bundestrainer Hans-Heinrich Meyer zu Strohen gab einen Überblick über den geradlinigen Karriereverlauf des Dunkelfuches, der bisher nahezu jedes Jahr einen beachtlichen Erfolg verbuchen konnte. „Ich habe bei der Arbeit einen roten Faden und den verfolge ich“, kommentierte Meyer zu
Strohen.
Der letzte Seminartag sah das Vorreiten der ab 2012 national geforderten Dressurprogramme von L bis S durch vier Pferde mit Bewertung durch die Seminarteilnehmer und anschließender Diskussion vor. Hier stellte Christoph Hess jeweils die Kriterien dar, die bei der Vergabe einer Note beachtet werden sollten. Unterstützung erhielt er dabei von Disziplintrainer Johnny Hilberath (Scheeßel), der bei sich offenbarenden Schwachstellen wertvolle Ratschläge für das Training geben konnte. Hess legte den Anwesenden ans Herz, beim Richten immer zuerst auf die Stärken eines Pferdes zu achten bevor man mit dem Kritisieren anfange. Dank der Qualität der Pferde und der gezeigten Reiterei konnten hier Details diskutiert werden, die eben den Unterschied zwischen einer „8“ und einer „9“ ausmachen. Den Abschluss bildeten eine Auswahl von Grand-Prix-Lektionen, die Uta Gräfs Holsteiner Hengst Le Noir vorbildlich zu zeigen wusste und damit ein Musterbeispiel dessen darstellte, was in diesem Seminar vermittelt wurde: Dass das Ausbilden und Vorstellen eines Pferdes unter Beachtung seiner Natur und der Ausbildungsskala zu dem führt, was jeder Richter, Trainer und Zuschauer gerne im Viereck sehen möchte: Perfekte Harmonie zwischen Mensch und Tier, der vielbeschworene „Happy Athlete“. Silke Rottermann.
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