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Georg W. Finks Kentucky-Tagebuch: Der Grand Prix Special
Mit Spannung erwartet haben die Freunde des Dressursports diesen Tag des Grand Prix Special. Ein Zauberwort, das Erinnerungen weckt, gerade bei uns älteren Pferdefreunden. Linsenhoff, Neckermann, Klimke, Uphoff, Werth, Salzgeber, Capellmann, Balkenhol, über Jahrzehnte haben deutsche Dressurreiter die großen Championate dominiert.
In den letzten Jahren zeigte es sich bereits, dass diese Vorherrschaft zu Ende geht. Die Holländer sind – viel diskutiert – zur dominierenden Dressurnation geworden. England, USA und Spanien sind dicht heran gekommen.
Vom ersten Reiter an war das große Stadion gut gefüllt. Nicht voll, denn so viele Dressurfreunde gab es – bisher – nur bei der WM in Aachen. In der ersten Gruppe war Anabel Balkenhol, über die sich unsere Presse nach dem Tag der Mannschaftsdressur nicht gerade freundlich geäußert hat. Das Pferd und seine Reiterin zu wenig Erfahrung, verspannt, ja sogar von Überforderung war die Rede! Schade, dass die Journalisten oft so voreilig sind. Pferde sind keine Maschinen, auch sie müssen mit Gefühl und der Chance zum Lernen an die ganz großen Aufgaben herangeführt werden. Das gilt auch für die Reiter. Dablino, „Belli“ und Klaus Balkenhol haben es ganz richtig gemacht. Das gesamte Feld am Vormittag wurde dominiert von diesem Paar! Deutlich entspannter, aufmerksam und in beeindruckender Harmonie konnten wir Zuschauer eine Vorstellung erleben, die ahnen lässt, wie viel Potential noch in diesem Paar steckt. Das war hervorragend und straft alle Skeptiker Lügen.
In den Gruppen danach waren kein Pferd und kein Reiter in der Lage, das Ergebnis von Belli und Dablino zu toppen. Erst Christoph Koschel mit seinem tollen Donnperignon bot einen weiteren Beweis der deutschen Dressurqualität. Ausdrucksstark, präzise in den Lektionen und mit einem gewaltigen Bewegungspotential zeigte das Paar eine reelle und absolut überzeugende Vorstellung. Direkt danach kam Matthias Alexander Rath mit Sterntaler. Der Druck war gewaltig, für Pferd und Reiter. Leichte Spannungen und Probleme in den Piaffen wurden von den Richtern gesehen und entsprechend bewertet.
Es wurde richtig spannend. Nathalie zu Sayn-Wittkenstein stellte ihren Digby toll vor. Neue Führung. Dann kam Hans Peter Minderhoud mit der Stute Nadine. Sie begannen mit großer Dynamik und hohem Mut, an die Grenzen der Biomechanik zu gehen. Zunehmend baute sich Spannung auf, was sich in einem gewaltigen Satz nach der vorletzen Pirouette entlud! Ein Aufschrei ging durch das Stadion. Die Jury reagierte sehr konfus, der Stadionsprecher sprach von möglicher Disqualifikation. Dann kam ein Ergebnis, das viele erstaunte. Trotz mehrfacher Taktfehler und des groben Ungehorsams kamen die einzelnen Richter zu Ergebnissen zwischen Platz 18 und Platz eins! Bei allem Respekt vor persönlichen Einschätzungen, die Bewertung auf Platz eins des laufenden Feldes war ein Skandal ersten Ranges!
Isabell Werth zeigte ihr ganzes Können und ritt auf Risiko. Warum Nicht FRH zeigte beeindruckende Höhepunkte, machte aber auch Fehler, vor allem in der Galopptour. Isabell musste auch richtig „arbeiten“, um ihr Pferd zu dieser maximalen Leistung zu bringen. Das hat sie toll gemacht und sie hielt den Anschluss an die Spitze! Leider nicht lange, denn Steffen Peters stellte seinen Ravel einfach spitzenmäßig vor. Neuer Führungswechsel. Dann Laura Bechtolsheimer, die schon gestern mit einer nahezu fehlerfreien Vorstellung Tuchfühlung mit Totilas aufgenommen hatte. Wieder ein traumhafter Ritt, neue Führung. Alles andere als unberechtigt und trotzdem überraschend hat sich Juan Manuel Munoz Dias gestern mit seinem Iberer Fuego fast bis an die Spitze der Wertnoten geschoben. Heute musste er sich erneut beweisen. Fuego ist ein Pferd mit gewaltigen Bewegungen, ob sie noch in allen Phasen den natürlichen Bewegungsabläufen entsprechen, wird sicher in der Fachwelt diskutiert werden. Der Trab ist meiner bescheidenen Ansicht nach im Grenzbereich. Ich empfinde es als unnatürlich, wenn das Vorderbein weit über die Waagerechte kommt, wo will das Hinterbein denn hin schwingen, um da noch mit zu kommen? Offensichtlich war es noch im Bereich der Dressurvorstellungen der Jury, denn es gab wieder sehr hohe Noten für dieses Paar.
Und dann kam Totilas! Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so hielten Tausende Zuschauer den Atem an. Und er hat es allen gezeigt, wer den „Hut“ auf hat im Dressursport. Dynamisch, beeindruckend, gelassen und korrekt – all diese Eigenschaften in hoher Vollendung prägten diese Vorstellung! Mehrfach die Note 10 -- Moorlands Totilas und Edward Gal sind und bleiben der Maßstab im Dressursport. Doch Laura Bechtolsheimer, Steffen Peters und letztlich die „jungen Deutschen“ brauchen sich nicht zu verstecken. Und das gilt auch für Isabell Werth, die ihr großartiges Können unter Beweis gestellt hat. Doch „Warum Nicht FRH“ ist einfach kein Satchmo.
Dressur in Kentucky – es ist die Reise wert, und wir freuen uns alle auf die Kür am Freitagabend.
Mehr als Dressur habe ich heute nicht gesehen – aber das war ein tolles Erlebnis.
Mit besten Grüßen aus dem sonnigen und warmen Kentucky.
Euer Georg Fink
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