Jessis Tagebuch: Sooo viel gelernt ...

Ich habe grad einen Kuchen gebacken … das ist so meine Entspannungstherapie. Ich backe für mein Leben gerne Kuchen und mache das oft noch spät abends vor einem Turnier oder nach einem anstrengenden Tag. Ich habe vor einer Weile mal einen Backkurs gemacht, denn meine Eltern fanden, dass da mal ein Konzept rein muss, und seitdem bin ich nicht mehr einzuschüchtern, auch nicht durch mächtige Torten! Irgendwann backe ich mal ein Pferd, haha :-) Heute war unser Osteopath im Stall, und alle Pferdchen bekamen ihre Wellnessbehandlung. Uns ist es wichtig, regelmäßig zu überprüfen, ob sich alle wohl fühlen in ihrer Haut. Manchmal verschiebt sich ein Wirbel, oder ein Nerv klemmt irgendwo, dann ist es gut, dass sie Hilfe bekommen.
Am vergangenem Wochenende sind wir in Warendorf zum Kader-Lehrgang angetreten. Das erste Mal ohne Flo an Bord. Ich musste schon schlucken, und es ist irgendwie alles etwas anders geworden. Meine Fröhlichkeit lässt noch auf sich warten, aber es wird stetig besser. Leo durfte auch mitfahren, und Danilo stand als dritter im Bunde auf dem Lkw. Danilo ist so routiniert, der steigt überall ein. Spezi braucht immer zwei Anläufe und Leo ist gaaaanz vorsichtig. Schrittchen für Schrittchen mit kurzen Pausen lässt er sich verladen, ganz ruhig und vorsichtig stellt er sich dann hin und wackelt höchstens mit den Ohren während der Fahrt. Auch beim Abladen ist er Schrittchen für Schrittchen runter geschlichen, würde ich fast sagen. Er hat sich im fremden Stall zwar sichtlich wohlgefühlt, doch ich denke, es war alles ziemlich aufregend für ihn. Am ersten Tag war er ganz artig und ist mit mir schön durchs Gelände geritten, und auch in der Halle war er wirklich lieb. Doch am zweiten Tag hat ihm irgendetwas an mir nicht gepasst, und er entschied sich dafür, mir das Leben etwas schwerer zu machen – mal schauen, wie weit ich gehen kann? Da haben wir beide uns etwas missverstanden … er dachte wohl, die kann mich mal, tralalalala … nach dem Motto, neee, also heute nicht so gerne. Aber ach, das junge Gemüse, es sei uns nachzusehen :-)
Spezi war sehr gut vorbereitet, und er war richtig froh, raus zu kommen. Entsprechend kernig war er dann auch am ersten Tag. Trotzdem war es wie immer sehr schön mit ihm, er ist so routiniert und weiß genau, was von ihm erwartet wird. (Dass er so kernig war draußen lag, glaube ich, daran, dass er seit September nirgendwo mehr war.) Dennoch stehe ich immer wieder vor neuen Aufgaben und Herausforderungen, mich noch mehr auf ihn einzulassen, mich noch besser in ihn hinein zu fühlen, meine Reitweise zu verfeinern, meinen Sitz zu verbessern, weniger Stress zu haben …
Herr Meyer zu Strohen sieht alles und kommentiert sofort, da gibt es kein Wenn und Aber  … nicht, dass meine Trainerin anders wäre … Ich bin auf jeden Fall wieder mit Hausaufgaben zurückgekehrt und werde hart daran arbeiten.
Das Schöne am Lehrgang finde ich immer, dass man die Pferde den ganzen Tag um sich hat, selbst füttern, ausmisten, Zeit zum Rumtüddeln und Kuscheln, wozu ich oft nicht komme, weil mir in der Woche mit Schule und Anfahrt einfach die Zeit fehlt.
Spezi ist sowieso so ein Kuscheltier und braucht das für sich. Er ist auch durch die Hölle gegangen, als Flo plötzlich nicht mehr neben ihm stand. Sie waren ein Herz und eine Seele, wie ein altes Ehepaar.
Sonntag sind wir gut weg gekommen aus Warendorf und waren zeitig ohne Stau zu Hause. Heute war mein erster Schultag in diesem Jahr, denn ich habe direkt anschließend an die Weihnachtsferien ein vierzehntägiges Praktikum gemacht. Das war so toll; ich war in Dülmen in der Tierklinik „Domäne Karthaus“, einfach Supi!
Ich war noch keine halbe Stunde da, da stand ich schon in voller OP-Montur mitten in einer Kastration, bei der mir dann überraschenderweise doch etwas schwummerig wurde. Allerdings war das der einzige Moment, in dem ich geschwächelt habe. Ich durfte so viele Sachen machen, verschiedene OPs miterleben und auch helfen, Magenspiegelung, Zahnheilkunde, Orthopädie, Nachsorge, Ankaufsuntersuchungen, röntgen ... Es ist aber nicht jedes Pferd so liebevoll und gut gepflegt wie wir uns das so vorstellen; die Realität sieht auch schon mal anders aus, und man sieht ganz schönes Elend manchmal. Ich hatte zum Beispiel noch nie Würmer und Dasselfliegen gesehen … jetzt schon. Auch Einschläfern muss man gelernt haben. Es ist ein schöner, aber auch harter Beruf. Die Klinik muss genau wie in der Humanmedizin Tag und Nacht funktionieren.
Die Assistenzärzte und die Studenten und Studentinnen haben sich super um mich gekümmert und mich über viele Dinge informiert. Die Ärzte der Klinik sind ein richtig tolles Team und vermitteln während ihrer Arbeit viel Wissen, die Stimmung untereinander ist sehr freundschaftlich, und ich habe mich richtig wohlgefühlt. Ich war sehr beeindruckt und hätte direkt dort arbeiten wollen :-)
Aber jetzt hat mich der Alltag wieder, und ich sollte mal schleunigst  meine Nase in ein Schulbuch stecken! Am achten Februar werde ich mein erstes Turnier mit Sergio Leone gehen, schauen wir mal … ich freue mich, dass es wieder los geht.
Bis bald,
liebe Grüße
Eure Jessi