Jessis Tagebuch: Besuch bei den Golden Girls.

Letzten Freitag bin ich supermegafrüh aufgestanden, also quasi Schlaf abgebrochen um vier in der Früh, damit ich vor den Trip nach „Foblo“ wenigstens noch zwei Pferde reiten konnte. Nachdem wir die Familie von Frau Meyer-Biss im Auto verstaut hatten, gings dann los.
Es wurde eine schöne und flotte Fahrt, fünfeinhalb Stunden, und wir standen in der Stallgasse bei den Euro-Ponys. Große Freude bei meinen Stallkolleginnen über den bisherigen Verlauf der Euro und Aufregung über die anstehende Einzel-Wertung. Es war spannend, Danilo hat unsere Stimmen sofort erkannt, und wir haben ihm ein paar hübsche Äpfel verfüttert.
Familie Krause hatte uns eingeladen dabei zu sein (und uns mit Fan-T-Shirts ausstaffiert), und das haben wir uns nicht nehmen lassen. Wann passiert es schon mal, dass gleich zwei aus einem Stall und von einer Trainerin zur Europa-Meisterschaft kommen? Hinzu kommen noch zwei aus einer Familie, denn meine Vorjahres Euro-Team-Kollegin Semmie Rothenberger (Hasi-Pupsi), die mit zwölf Jahren schon zu den erfahrenen Reitern des aktuellen Teams gehörte, ist die Cousine, Nachbarin und Klassenkameradin von Dini Krause.
Gut gerüstet mit Deutschlandfahnen haben wir auf der Tribüne Präsenz gezeigt. Wir haben unser Bestes gegeben und alle vier Gold-Mädels laut unterstüzt!
Gegen Abend sind wir in den Ort gefahren auf der Suche nach unserem Hotel. Fontainebleau ist sooo schön und so, ich würde sagen, französisch!!! So wie man sich das vorstellt … die Zeit ist stehen geblieben, ein riesengroßes Schloss liegt mitten im Zentrum, ähnlich wie der Buckingham Palace (nicht übertrieben). Sogar die Zaunanlage sieht genau so aus, die hatten bestimmt den gleichen Architekten. Und die kleinen Straßen und engen Gassen, und dann lauter süße Geschäfte mit Landhaus-Deko und eine ganz verträumte Bäckerei und Metzgerei, viele kleine Cafes und Restaurants. Wir sind dann gemeinsam gegenüber vom Schloss zum Abendessen eingekehrt mit 14 Personen, und es ging wie immer hoch her.
Samstag ging es schon früh weiter mit der Einzelwertung. Nach einem ziemlich chaotischen Frühstück sind wir dennoch alle um viertel vor neun in Fankluft auf der Tribüne gewesen, um Semmie zu sehen, eine Stunde später dann Anna. Es wurden zwei tolle Ritte und für Semmie, die knapp an Gold vorbei ritt, die mehr als verdiente Silber-Medaille. Und für Dini Rang 5 und Anna Rang 6, das war soooooo mega für die beiden, denn sie waren damit in der Kür am Sonntag!
Für den Nachmittag hatten wir einen chilligen Geländeausflug geplant, um die Buschis anzufeuern. (Frau Meyer-Biss schwebte währenddessen in höheren Sphären, indem sie sich das Schloss Raum für Raum zeigen ließ.) Doch als wir im Gelände unterwegs waren und uns an einem Sprung ein gemütliches Plätzchen suchten, passierte ein schlimmer Unfall. Direkt vor uns stürzte an diesem besagtem Sprung eine unserer deutschen Vielseitigkeits-Reiterinnen, sie sprang, und ihr Pony streifte mit den Vorderbeinen den Sprung, verhaspelte sich und überschlug sich mit Hanna. Wir waren so perplex in dem Moment, haben aber sehr schnell reagiert und Pony und Reiterin mit Erste-Hilfe-Maßnahmen betreut. Dinis Papa ist ein versierter Orthopäde, und ihn haben wir sofort zur Hilfe herangezogen. Zum Glück, denn wir stellten fest, dass die Sanitäter keine Ahnung hatten von dem, was da so im Gelände alles passieren kann. Auch gab es Verständigungsschwierigkeiten, denn Hanna hatte mehrere Brüche an Handgelenk und Arm, und ihr Airbag war aufgegangen, und wenn wir nicht zur Stelle gewesen währen … die Sanitäter wussten nicht, dass die meisten Buschis so ein Ding tragen...
Ihr Pony stand richtig unter Schock, und wir haben den Armen erst mal von seinem Sattelzeug befreit und sind mit ihm in die Stallgasse, dort haben wir ihn gewaschen und betüddelt, und unsere Hilde (Bundeskader-Vet-Ärztin) hat ihn gründlich untersucht.
Keine Stunde später, wir wieder am Sprung, passierte der gleiche Unfall noch mal mit einer jungen Engländerin. Wir wieder im Einsatz , das gleiche Spiel von vorne, doch diesmal war die Reiterin äußerlich heil geblieben, aber das arme Pony hatte sich schlimm wehgetan. Nachdem wir auch dieses Pony ordentlich zum Stall bzw. zum Arzt gebracht hatten, haben wir uns einen anderen Platz gesucht, und als der Abend hereinbrach, hatte der Tag für die Buschreiter doch was Positives, denn eine junge Dame sicherte sich schon mal die Pole Position für das Finale am Sonntag. Auch bei den Springreitern herrschte gute Stimmung -- hatten die noch gezweifelt an einer Medaillenchance, so feierten sie jetzt lustig ihren Vize-Europameister-Titel. Samstag Abend  ... chillen und grillen in der LKW-Burg!
Sonntag Kür, diesmal nicht ganz so früh, wir brauchten erst um zehn im Stadion zu sein, im Fan-Trikot, versteht sich. Es war sowas von spannend, und es gab viele schöne Küren -- auch unsere Nachbarländer schlafen nicht und sind mit starken Paaren angetreten. Am Ende gab es Gold für Deutschland, und zwar für Semmie. Große Freude und eine glückliche Truppe: Eine ausgeflippte Anna, die mit Donovan alles Bisherige übertraf und mit Platz fünf in der Kür mehr als zufrieden war. Und Dini und Danilo, die erst seit acht Monaten zusammen trainieren und noch gar nicht mit der Euro-Teilname gerechnet hatten, waren mit Platz fünf (Einzel) und sechs (Kür) einfach nur glückselig (ich glaube, Dini konnte es gar nicht fassen).
Mit der Goldmedaille in der Hosentasche (Dini) sind wir mit Danilo (der am Sonntag noch topfit war und völlig entspannt auf dem LKW sein Heu mampfte) den Heimweg angetreten. Zu Hause hatte Lisa für einen schönen Empfang gesorgt und für Donovan und Danilo die Boxen geschmückt.
Es war schön, dass ich dabei sein durfte, und ich bedanke mich bei meinen Eltern für ihre Reisefreudigkeit!


Und jetzt ... endlich schönes Wetter!
Sonnige Grüße, Eure Jessi



(Foto: Dominik Biss)