Hier ist sie, die wunderschöne Laudatio zum Goldenen

Liebe Jessi,
um es mit  Hölderlin zu sagen: Der Preis des Erfolges ist Hingabe, harte Arbeit und unablässiger Einsatz für das, was man erreichen will. Heute wirst Du durch die Verleihung des goldenen Reitabzeichens eine große Ehrung deiner Arbeit erfahren. Es prangt jetzt wie eine wunderschöne Verzierung auf einer herrlichen Torte.
Um eine solche zu backen, benötigt man erst einmal einen festen, soliden Boden, auf dem aufgebaut werden kann.
Die erste Zutat für Deinen Boden war ein Stoff-Elefant. Auf dem hast Du Dich schon als ganz kleines Mädchen, bewaffnet mit Mamas Reitutensilien, gefühlt wie ein großer Reiter. Anlaß genug für Deine Eltern zu überlegen, ob es nicht an der Zeit wäre, Dir ein echtes Pony zu besorgen.
An Deinem fünften Geburtstag war es soweit. Mit einer roten Schleife um den Hals stand Smarty in eurer Küche. Er wurde Dein Spielkamerad, Dein Held. Mit ihm mischtest Du Dich unter die Schar der Kinder, die in Führzügelklasse, E-Springen und Dressur ihre Erfolge suchten, die Du auch redlich hattest.
Der Tortenboden war gebacken, wenden wir uns der Cremeschicht zu.
Es wuchsen nicht nur Deine Beine, sondern auch Dein Können und Deine Ansprüche. Der Rapp-Ponyhengst Ghost erweiterte eure Familie. Gleichzeitig wart ihr auf der Suche nach einem Trainer/Trainerin, der oder die Dich weiterbringen sollte. So  kamt ihr zu Steffanie Meyer-Biss, die einem Vorreiten zustimmte.
Klammer auf, das Vorreiten:
Erster Eindruck der Trainerin: Um Himmels Willen, das Pony hat den Hals einer Giraffe. Wie soll das arme Kind ihn jemals durchs Genick reiten
Zweiter Eindruck: Das Mädchen ist elf und hat schon die Beinlänge einer Gazelle. Wie lange wird es dauern, bis diese über das Pony hinweg gewachsen sind?
Dritter Eindruck: Das Talent ist deutlich zu erkennen, der Wille ist da, die Unterstützung der Familie sicher.
Das war der Beginn einer langen, gemeinsamen Zeit.
Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg. Dieser Prämisse seid ihr bis heute treu geblieben.
Nur Ghost empfand die Trainerin noch als zu stark für Dich, so wurde er erst einmal in fähige Reiterhände gegeben. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass das Pony D`Artagnon der Familie Braun zur Verfügung stand. Auf ihm begann Deine Lehrzeit. Es dauerte nicht lange, da hast Du mit ihm Deine erste FEI-Aufgabe geritten und gewonnen.
Jessi wäre aber nicht Jessi, wenn der Wunsch, auf Ghost erfolgreich zu sein, nicht groß gewesen wäre. Schon am Ende des Jahres ging ihr Wunsch in Erfüllung. Ghost war nicht einfach zu reiten und Jessi musste sich ihre Zweisamkeit hart erkämpfen. Da werden Erinnerungen wach:
Das Finale beim Bundeschampionat der sechsjährigen Dressurponys 2009. Familie und Trainerin hatten sich am Einritt versammelt, um Jessi reiten zu sehen. Tiefe Furchen der Besorgnis hatten sich in die Stirn der Trainerin gegraben. Stoßgebete wurden von der Familie ausgesandt – Lieber Gott, bitte gib Jessi Kraft und dem Pony ein Einsehen, auf dass es bei Frauchen bleibe und nicht, wie auf dem Abreiteplatz, durch einen gekonnten Sidestep das Viereck verlässt und das Weite suchen will.
Die Gebete wurden erhört, es war eine tolle Runde. Ghost war gemäß der Worte Henry Fords gelaufen: Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeit hat, die im Moment gefragt ist. Fünfte im großen Finale.
Oder die Regenorgie der deutschen Meisterschaft 2010.  Hier brachten Dich Deine beständigen Leistungen an die Spitze. Oder die Nominierung für die Euro der Pony-Dressurreiter in Polen 2011. Alle Erfolge der Beiden zu nennen, würde den heutigen Rahmen bei weitem sprengen.
Frau Meyer-Biss wäre nicht Frau Meyer-Biss, wenn sie nicht noch einen Joker für Dich im Ärmel gehabt hätte. Wie Phoenix aus der Asche kam Danilo daher, wie eine Rakete seid ihr durchgestartet - Du und Mister No-Name.
Zweimal Platz 1 bei der Sichtung Kronberg 2010, Mitglied im Bundeskader Pony-Dressur. Euer Steilflug gipfelte als Einzeleuropameisterin und reichte bis zum Mannschaftsgold der EM in Jaszkovo 2011. Viele Ehrungen wurden Dir auf diesem besonderen Pony zuteil. Ihr wart ein gern gesehenes Paar. Die Cremeschicht Deiner Torte war vollendet. Kommen wir nun zur Sahneschicht.
Schon lange von allen misstrauisch und besorgt beäugt, siegten die Auswirkungen der Pubertät. Deine Beine waren nun endgültig zu lang geworden und schrien förmlich nach Großpferden. 2011 - Special Edition, genannt Spezi, bot Raum fürs Gebein, aber auch für Schwierigkeiten. Die geänderten Größenverhältnisse wollten erstmal angenommen werden. Die Beine sortierten sich anfangs, besonders bei den Wechseln, noch langsam und eigenwillig. Du kämpftest Dich durch den Beinsalat und Spezis Dickkopf, und langsam wurden Erfolge realistisch. Das erkannte auch der Bundestrainer und gab grünes Licht für Kronberg. Kronberg auf den letzten Drücker - beide Prüfungen  gewonnen. In Deinem ersten Juniorenjahr wurdet ihr in den Bundeskader berufen.
Die neunjährige Florence, genannt Flo, gesellte sich als Zweitpferd dazu und passte prima. Beide Pferde wurden trainiert, und 2013 fuhrst du mit Flo zur Euro - Mannschaftsgold!
Jedes Leben bietet mindestens einmal ein Drama. Dein ganz persönliches Drama, war Flos plötzlicher Tod. Sie tanzte nur einen Sommer. Alle waren entsetzt und traurig. Aus Deiner Trauer aber erwuchs der Wille, jetzt für Flo und jetzt erst recht. Wieder war es der glückliche Zufall, der Dir ein neues Pferd bescherte. Der Sohn der Trainerin hörte aus zeitlichen Gründen auf zu reiten und hinterließ Revers Side, deren Ausbildungsstand gerade passte. Mit Rever warst Du schnell zusammen gewachsen, was nicht zuletzt daran lag, wie liebevoll Dein Verhältnis zu deinen Pferden stets war.
Als Du bei eurem ersten Turnier die M-Dressur gewannst und Dich damit für die S-Dressur qualifiziertest, musstest Du ins kalte Wasser springen und hast gesiegt. Alle waren platt. Da war es wieder - von Null auf Hundert.
2014 holtet ihr den Mannschaftssieg mit Spezi bei der unvergesslich schönen Euro in Arezzo. Rever als Zweitpferd war in dieser Saison oft vorne platziert. Sie hatte die Grundlage fürs goldene Reitabzeichen gelegt, und Du beendetest Dein letztes Juniorenjahr mit dem DJM-Bronzegewinn mit ihr.
Junge Reiter – die S-Zeit. Da ging alles plötzlich recht schnell. Ihr Drei wart bei eurem ersten Auslandsturnier ein Winner-Team und gut auf Kurs. Obwohl Spezi krank wurde und für Monate ausfiel, liefen die Sichtungsturniere gut. Der Eurodruck wuchs und wurde Dir in Wiesbaden zum Verhängnis. Dein kurzfristiger Absturz hatte aber auch etwas Gutes. Vom Druck befreit konntest du nun unbekümmert aufreiten, und das hast du getan. Die Erfolge stellten sich wieder ein, und auch Spezi hatte sein Comeback bei der DJM.
Da sind wir wieder bei Deiner Torte. Sie fand ihre Vollendung mit den Sahnetupfern, den 10 S-Siegen. Ich glaube, inzwischen kamen noch einige Tupfer dazu.
Die Glasur aber, die alles zusammen hält, hat zwei besondere Zutaten. Da ist die erste Zutat, die Familie, die Dir Rückhalt gab, Dich anspornte, Dich begleitete, mit Dir jubelte und Deine Tränen trocknete, wenn Du Trost brauchtest. Die zweite Zutat ist Deine Trainerin, die Dich als kleines Mädchen an die Hand nahm, um Dich auf die Leiter der Karriere zu führen. Sie hat Dich geschoben und gebremst, Dich aufgehoben, wenn du gestrauchelt bist, und hat immer an dich geglaubt.
Nun ist sie ganz fertig, Deine Torte. Aber iss sie bitte noch nicht, denn die besten Torten bekommen immer eine zweite Etage.
Liebe Jessi, meine ganz persönliche Gratulation geht mit einem Wunsch einher: Bewahre Dir, dies sei mein letztes Wort, die Liebe zum Pferd und die Lust am Sport.


Rita Schwerdtner-Marquardt